Rollenstege von Schaller und Boston



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bei Gitarren mit Vibratos nach Bigsby-Art werden oft Rollenstege zur Verbesserung der Stimmstabilität verbaut. Meine Gibson ES-135, die hier auch als Testgitarre herhält, habe ich schon vor ein paar Jahren mit einem Bigsby beglückt und dabei auch Rollenstege ausprobiert.

Seit langem liegen daher zwei dieser Spezies hier bei mir herum, die ich hier in diesem Testbericht mal genauer vorstellen möchte. Der eine ist von der altehrwürdigen Firma Schaller und hier in Deutschland hergestellt. Der andere stammt von der US-Firma Boston und ist das Modell namens B-200-C. Ob es in den USA hergestellt ist oder anderswo, kann ich nicht sagen. Beide Stege sind verchromt und die Saiten laufen natürlich bei beiden auf Saitenführungsrollen. Damit hat es sich aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn beide sind völlig unterschiedlich konstruiert und aufgebaut.

Beim Schaller Steg sitzen die Rollen auf kleinen Gewindestangen, die quer auf Böckchen liegen. Die Rollen drehen sich auf der Gewindestange, d.h. sie wandern beim Drehen nach links oder rechts. Dadurch kann der Abstand der Saiten zueinander beeinflusst werden. Die Gewindestangen sind auf die Böckchen gepresst, sie fallen also bei einem Saitenwechsel nicht heraus. Die Böckchen sind dann wie bei einer normalen Tuneomatic Bridge mittels Längsschraube zur Einstellung der Oktavreinheit verschiebbar.

Wenn man von oben auf die Schaller Brücke schaut, sieht man, dass die einzelnen Schrauben etwas schräg durch die Bridge laufen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Stege auf Gibson-artigen Gitarren in der Regel leicht schräg sitzen. Und zwar ist die Seite mit der dicken E Saite einen kleinen Tick weiter vom Pickup weg. Mit der Schrägstellung der Schrauben und somit auch der Rollen wird gewährleistet, dass die Saiten trotzdem gerade über die Rollen laufen. Die Rollen sind übrigens bei der Schaller Bridge nicht alle gleich! Die drei für die umwickelten Saiten haben eine etwas weitere Kerbung. Es ist also nicht egal, wie man den Steg aufsetzt! Die Schlitzschrauben sollten in Richtung Vibrato oder Tailpiece zeigen.

Was bei der Schaller Bridge noch auffällt ist, dass die "Enden" geschlossen sind. Die Löcher, über die der Steg aufgesetzt wird sind nicht durchgebohrt. Das sieht schön aus, finde ich, birgt aber ggf. auch einen Nachteil, je nachdem, was für Schrauben für die Höhenverstellung man hat. Dabei geht es nicht darum, ob Einschlaghülsen da sind oder die beiden Stützschrauben direkt im Holz sitzen. Es geht einfach generell um die Höhe der Schrauben und um den Abstand der Rändelmutter zum oberen Ende. Es gibt ganz sicher passende Stützschrauben dazu von Schaller, ich habe aber keine. Die normalen, die zur Tuneomatic Bridge und auch zur Boston Bridge passen sind jedenfalls zu lang. Man muss sie von oben etwas runterfeilen, sonst sitzt die Schallerbridge erstens zu hoch und zweitens zu wackelig auf den Stützschrauben. Um den wackeligen Sitzt zu beheben, muss man soweit runterfeilen, bis die Bridge satt auf den beiden Rändelschrauben sitzt.

Die Boston Bridge ist einen Tick schwerer, aber nicht viel. Die Rollen sitzen seitlich nicht verstellbar in viel massiveren Böckchen. Die kann man auf der Grundplatte in Längsrichtung zur Einstellung verschieben. Fixiert werden sie dann von oben mit schwarzen Inbusschrauben. Diese sitzen ein klein wenig versetzt zur Rille auf den Rollen, d.h. nicht genau unter den Saiten. Das erleichtert natürlich die Einstellung, man kommt gut ran. Fein gemacht, sag ich mal. Ein passender Inbusschlüssel wurde mir damals mitgeliefert. Die Öffnungen für die Stützschrauben sind beim Boston Steg Langlöcher mit jeweils zwei Madenschrauben. Die Stützschrauben können damit in jeder Position in dem jeweiligen Langloch fixiert werden. Der Steg sitzt dann Bombenfest.

Bei der Boston Bridge ist es egal, wie herum man sie aufsetzt. Die Rollen sind hier im Gegensatz zum Schaller Steg alle gleich. Hier sind die Rollen rechtwinklig zur Brücke eingesetzt. Das bedeutet, dass bei einer Schrägstellung des Steges die Saiten auch schräg über die Rollen laufen. Als Nachteil gegenüber der Schaller Bridge sehe ich das aber nicht, denn durch die Langlöcher kann man den Boston Steg ja gerade aufsetzen, die Reiter bieten dafür genug Spielraum für die  Einstellung der Oktavreinheit.

Die Optik spielt natürlich eine Rolle. Ich finde den Schaller Steg schöner, aber das ist Ansichtssache.
In der Funktion sehe ich subjektiv bei beiden keine herausragenden Vor- oder Nachteile, die den einen vielleicht wirklich objektiv besser machen könnten als den anderen. Das Stringspacing des Boston Steges entspricht genau dem des originalen Tuneomatic Steges auf meiner Gibson. Für die beim Schaller vorhandene Verstellmöglichkeit sehe ich keine Notwendigkeit.

Bei beiden fällt auf, dass die Rollen klappern, wenn man die Stege in der Hand schüttelt. Beim Boston Steg deutlich lauter als beim Schaller Konkurrenten.

Das Einsetzen der Stege geht fix. Insbesondere dann, wenn man Locking Mechaniken an der Gitarre hat. Meine Gibson habe ich damit ausgerüstet, dazu gibt es diesen Testbericht. Man muss dann nur beim Lockern der Saiten aufpassen, dass die Enden nicht von den typischen kleinen Stiften am Bigsby rutschen. Die Stützschrauben auf meiner Gibson passen zum Schaller Steg, die habe ich damals passend herunter gefeilt.

Beim Handballenauflegen fühlt sich der Boston Steg glatt und rund an, da sticht und pickst nichts. Beim Schaller Steg ist das etwas unangenehmer. Man spürt die Ecken der Böckchen und auch die Rollen.

Im Gegensatz zu den Locking Mechaniken, die gerade beim Bigsby auch das Aufziehen der Saiten erleichtern, haben mir ganz subjektiv die Rollenbrücken nichts positives gebracht. Ich habe nicht das Gefühl, dass das Bigsby damit irgendwie besser oder stimmstabiler funktioniert.

In Sachen Klang konnte ich auch keine nennenswerten Unterschiede heraushören. Da es nicht so aufwändig ist, habe ich mehrmals hin- und her gewechselt und versucht die Ohren zu spitzen. Für mich klang das alles so gut wie gleich.

Das Einzige, was ich für mich definitiv festgestellt habe ist, dass das Sustain bei beiden Rollenbrücken einen Tick leidet. Mit der Tuneomatic Bridge klingen Töne und Akkorde anders und länger aus. Der Klang wird gleichmäßig leiser. Bei den Rollenbrücken fiel mir auf, dass Töne und Akkorde nach vier bis fünf Sekunden "steiler" abfallen und leiser werden. Das ist nicht so gleichmäßig und kürzer.

Mein subjektives Fazit:
Man braucht keine Rollenstege. Ein Bigsby funktioniert auch mit ganz normalen Stegen bestens.
Und Rollenstege beeinflussen das Sustain negativ. Ich rate also von den Dingern ab.

 

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