Thorndal Nemesis EA

 

Etwas feines ist zu mir ins Testhaus gekommen. Gemacht von Gregor Olbrich, dem Gitarrenbauer hinter dem Namen Thorndal. Die Nemesis EA verbindet das Handling und die Bespielbarkeit einer E-Gitarre mit der Klangwelt akustischer Gitarren. Abgesehen von den Vorteilen für eher gelegentlich akustisch spielende E-Gitarristen ist eine Gitarre wie diese auf der Bühne und überhaupt bei höheren Lautstärken im Bandkontext problemloser zu handhaben als eine echte Akustikgitarre mit einem "richtigen" großen Korpus. Rückkoppelungen sind kein Thema.

So etwas gab es schon des Öfteren von verschiedenen Herstellern mit mal mehr, mal weniger überzeugenden klanglichen Ergebnissen. Hier ist erst mal zu sagen, dass man Handarbeit aus Germany bekommt und das merkt man. Die Saitenlage ist traumhaft, nichts schnarrt, die Bundenden sind perfekt und alles fühlt sich sehr hochwertig an. Wo wir gerade beim Fühlen sind: Es gibt keinen Lack auf dieser Gitarre. Alles ist in einem Satin Silk genannten Öl-Finish gehalten, das sich nicht nur gut anfühlt, sondern auch lecker riecht!

Das Holz sieht in diesem Finish absolut naturbelassen aus. Es werden außerdem nur heimische Hölzer verwendet! Der Korpus besteht aus, man könnte schon fast sagen der Thorndal-typischen Fichte (Angel Pine) mit einer Decke und einem Boden aus Birne. Er ist mit Kammern ausgestattet, also nicht ganz massiv. Der Hals ist aus sehr schön gemaserter Kirsche und das Griffbrett aus Zwetschge. Das kann man durchaus als ungewöhnlich bezeichnen. Vor allem aber auch als umweltfreundlich! Dass ich den Weg, den Thorndal einschlägt klasse finde, habe ich in einem anderen Test schon erwähnt.

Ganz extrem wichtig ist für einen guten Akustik-Sound solcher Gitarre natürlich die Elektronik. Schließlich geht es nicht darum, dass eine Gitarre wie diese kabellos wie eine Akustik klingt, sondern verstärkt über eine PA oder einen Verstärker. Dazu hat die Nemesis EA einen hexaphonischen Piezo Pickup spendiert bekommen, bei dem jede Saite einzeln abgenommen wird. Dadurch sticht keine Saite hervor, das Lautstärkeverhältnis ist ausgewogen. Dazu ist ein Preamp mit einem 2 Band Equalizer eingebaut, der per Push/Pull Poti aktiv/passiv schaltbar ist. Für die Stromversorgung per 9 Volt Block oder entsprechendem Akku ist ein Batteriefach in der Rückseite des Korpus da.

Die Mechaniken sind die kleinen Klusons mit dem Schlitz und dem Loch im Schaft, die man auch von den klassischen Gitarren der Firma mit dem großen F kennt. Der Steg am anderen Ende ist ein sehr massives Teil, ein Einteiler, der ja auch den bzw. die Tonabnehmer in sich trägt. Er ist in alle Richtungen verstellbar und auch die Reiter sind einzeln jeweils über eine Stellschraube zu verschieben. Man kann wunderbar zum Abdämpfen den Handballen drauf legen, da pickst oder nervt nichts.

Der Knochensattel ist perfekt gefeilt. Die Reglerknöpfe sind Tele-artige Teile mit Madenschraube. Die sind schön griffig, man kann aber keine Einstellung ablesen. Der vordere Regler für das Volume ist auch der Push/Pull für die aktiv/passiv Anwahl des EQs. Die beiden hinteren sind die Klangregler für Treble und Bass, Tief und Hoch, Oben und Unten oder wie auch immer man das nennen möchte. Diese beiden haben eine Mittenrast. Schön sind auch die beiden Gurtknöpfe von Schaller. Die sichern normale Gurte über eine große Rändelschraube, lassen aber auch die Verwendung der Schaller Security Locks zu. Die Klinkenbuchse sitzt unten in der Zarge.

Der Hals hat 22 Bünde und ist über vier Schrauben mit dem Korpus verbunden. Er ist perfekt in den Korpus eingepasst. Auf Griffbrett Inlays wurde beim Testmodell verzichtet, es gibt zur Orientierung nur weiße Dots in der Griffbrettkante. Die Optik der ungewöhnlichen Hölzer ist natürlich Geschmackssache. Mir hat es insbesondere die Kirsche des Halses angetan. Die Farbe und die Maserung ist echt klasse! Vom Übergang zum Griffbrett ist nichts fühlbar. Der Hals ist ein ganz schöner Klopfer. Das Griffbrett ist nicht sehr breit, aber man hat ein fettes C in der Hand. Die Breite ist ein klassisches E-Gitarren Maß. Mancher Akustiker hätte es möglicherweise gerne breiter. Da ja alles Handarbeit ist, dürfte eine Absprache mit dem Hersteller dahingehend aber wohl kein Problem sein. Aufgespannt sind natürlich keine E-Gitarrensaiten. Hier sind Akustiksaiten mit umwickelter G Saite drauf und so muss das auch.

 

Unverstärkt klingt die Nemesis EA durch die Besaitung schon eher wie eine Akustik, als eine vergleichbare E-Gitarre. Die Saiten machen da schon mal eine Menge aus. Zum Üben im stillen Kämmerlein mit schlafendem Kind im Nebenzimmer ist das klasse. Das ist leiser Akustik Klang ohne die durch den Resonanzkorpus erzeugte Lautstärke.

Verstärkt macht es natürlich einen Unterschied, ob man die Nemesis EA in einen E-Gitarrenamp oder direkt ins Mischpult, über einen aktiven Bühnenmonitor oder einen Akustik-Amp spielt. Einen Akustik-Amp habe ich leider gerade nicht parat, den Rest habe ich ausprobiert und auch ein paar Kleine Fills aufgenommen, die ich als Soundfile hier einbinde. Dazu möchte ich sagen, dass man das über vernünftige Lautsprecher oder Kopfhörer anhören sollte und nicht über irgendwelche eingebauten Laptopquäker.

Hier ein Soundbeispiel absolut unbehandelt direkt ins Interface und auf die Festplatte:                    Klingklang Nr. 1

Das nächste Beispiel ist mit Akustik-Presets aus dem Line6 POD X3 eingespielt:                           Klingklang Nr.2

Das letzte ist improvisiertes Geklimper, das ich mit meinem Marshall Bluesbreaker Combo eingespielt habe.
Das hab ich mit einem Kompressor und einem Hall etwas nachbehandelt.                                        Klingklang Nr.3

 

Für mich klingt die Gitarre in allen Situationen sehr nach Akustikgitarre. In Verbindung mit normalen Gitarrenamps muss man etwas mit der sehr guten Klangregelung der Gitarre arbeiten. Die arbeitet aktiv intensiver und der Output ist im aktiven Modus auch höher. Für mich funktionierte die Gitarre mit meinen Röhrenamps am besten aktiv mit etwas herunter geregeltem Volume an der Gitarre und zum Amp passender EQ-Einstellung. Da ist ausprobieren angesagt. So gute Ergebnisse wie mit Fullrange Speakern kann man mit normalen E-Gitarren Speaker nicht erwarten. Zumindest nicht in Sachen "authentischer Akustikgitarrenklang". Dass dabei trotzdem klasse Klänge entstehen können ist eine ganz andere Geschichte.

Direkt ins Pult oder über eine guten aktiven Monitor ist alles völlig problemlos und die Klangregelung muss nichts mehr ausgleichen. Die dient dann zur Anpassung des Sounds an den eigenen Geschmack. Ich hatte da meist alles aktiv und den Bassregler in der Mittelstellung und den Höhenregler etwas höher.

Die Gitarre spricht sehr gut an, ich hab mich immer wohl gefühlt. Ob sich der Klang bei dieser Gitarrenkonstruktion wie bei einer guten "echten" Akustikgitarre noch einspielt und dynamischer wird, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall geht es aber im Neuzustand auch schon wunderbar zur Sache. Wenn man dazu noch bedenkt, dass das Konzept ja eigentlich für E-Gitarristen ist, die auch mal Akustiksounds ohne viel Umstande parat haben wollen, ist diese Gitarre über jeden Zweifel erhaben. Akustik Spieler, die den absoluten High End Akustikklang wollen, kaufen so eine Gitarre sowieso nicht. Hier wurde meiner Meinung nach eher ein Arbeitsgerät konstruiert, dass seinen Job hervorragend macht.

 

 

 

                                                                                                                                                                                                                 © alle Bilder und Text, Dieter Stenzel, 02.2015