Thorndal Styx N

 

Zwei Schwestern kamen mich besuchen. Die eine ganz makellos, die andere etwas künstlich gealtert mit leicht rissiger Fassade. Zwei Töchter aus dem Hause Thorndal mit dem Namen Styx N. Eingeweihte wissen: Hinter Thorndal verbirgt sich der Gitarrenbauer Gregor Olbrich, der seine schöne Instrumente im bayrischen Thiersheim baut. Ich hatte schon eine Traditional SC Barny und auch das Overdrivepedal Duane-69 hier zum Test und war begeistert. Umso gespannter war ich natürlich auf die beiden Schönheiten im vintage-weißen Kleid.

Beide sind aus dem gleichen Holzfundus und haben die gleiche Hardware spendiert bekommen. Sie sind abgesehen vom "Ältermachen" der einen also so baugleich, wie eben möglich! Das bedeutet in Sachen Holz: Zwei Teile Erle für den Korpus, Riegelahorn für den Hals und Nussbaum für das 12" Radius Griffbrett. Keine Tropenhölzer. Nussbaum ist ja eher ungewöhnlich. Optisch ist der Unterschied zu Palisander nicht besonders groß, wobei Palisander ja auch sehr unterschiedlich aussehen kann. Hätte man mir gesagt, das sei Palisander, dann hätte ich das geglaubt. Klanglich kann Nussbaum ganz offensichtlich mit Palisander bestens mithalten. Denn das beweisen die beiden Testgitarren eindrucksvoll, wie weiter unten noch zu lesen sein wird.

Das Pickupset heißt Mojo Blues Set und stammt von Thorndal. Ich habe nicht gemessen, würde sagen, der Output ist vintage-moderat. Alle drei sind gleich gewickelt, so wie das früher war. Brummunterdrückung in den Zwischenpositionen gibt es also nicht. Sehr positiv finde ich, dass der untere Tonregler auch den Stegpickup bedient. Das ist ja in der normalen Schaltung dieses Gitarrentyps nicht so, obwohl es dem oft ziemlich klingelnden Pickup am Steg meiner Meinung nach richtig gut tut. Die restliche Hardware stammt von Kluson und Gotoh und ist in Nickel und Chrom gehalten. Die Farbe ist Nitrolack. Der Halsrücken wurde im Spielbereich entlackt und geölt, was sich anfühlt wie pures, aber sehr glattes Holz. Der von der Kopfplatte über eine "Bullet" Einstellschraube zugängliche Halsstab ist trotz des aufgeleimten Nussbaum Griffbretts von hinten eingesetzt und es gibt einen so genannten Skunk Stripe auf der Halsrückseite. Die Bünde sind eher dünn und hoch, wie auf den alten Gitarren mit dem großen F. Die Verarbeitung ist in allen Belangen erstklassig. Das ist ja auch schließlich keine Stangenware, die sind beide von einem Gitarrenbauer gefertigt.

 

 

Die eine der beiden ist wie schon geschrieben und oben zu sehen etwas "alt gemacht". Der weiße Lack hat diese leichten feinen Risse, die sich bei altem Nitrolack einstellen und es gibt auch zwei durchgescheuerte Stellen an der Armauflage und im Gürtelschnallenbereich. Die Schrauben, das Gotoh Vibrato und die Kluson Tuner und die typische Klinkenbuchsenschale sind auch angelaufen und optisch alt, das aber nicht allzu übertrieben. Ich selbst bin und war eigentlich nicht wirklich ein Fan davon, ich mach meine Gitarren lieber selber alt. Aber das sieht authentisch aus, auch in meinen etwas voreingenommenen Augen. Das Ältermachen hat aber wohl nicht nur optische Auswirkungen, wie sich im Vergleich herausstellt. Zumindest sagte mir Gregor Olbrich, dass das der Grund für die für mich recht überraschenden Klangunterschiede sei.

 

 

Das optische Ältermachen ist ja der einzige Unterschied. Ansonsten sind beide (wie schon geschrieben) so gleich gebaut, wie es eben geht. Sie liegen auch gleich in der Hand und haben das gleiche angenehm leichte Gewicht. Und doch klingen beide sehr verschieden. Beide sind erstklassige Instrumente, aber das leicht rissige Mädel schießt den Vogel ab! Für mich ist das ein Ausnahmeinstrument.

Stevie Ray Vaughan´s "Lenny" ist für mich ein Paradebeispiel für einen cleanen Sound mit diesem Gitarrentyp. Ich bilde mir ein, das Stück auch einigermaßen gut spielen zu können, in unserem Trio haben wir das schon ewig im Program. Dieses Stück mit dem rissigen Mädel über meinen alten Silverface Deluxe Reverb gespielt hat mich fast umgehauen. Alles, was ich von einer richtig guten S-Style Gitarre da erwarte, kam mir aus dem Amp entgegengeperlt. Das war echt ein Aha-Erlebnis. Herrlich! Luftig, perlige nie nervende silberglänzende Höhen, straffe und doch voll, tief und warm federnde Bässe und die Mitten nur auf den bestmöglichen Plätzen. Und eine Tiefe im Ton, die süchtig machen kann! Jede noch so leichte Anschlagsvariation wird kompromisslos umgesetzt und hörbar gemacht. Man spielt und spielt und spielt ...  und möchte nicht mehr aufhören. Boah! Lässt man es zerren, kann man den Ton fast noch intensiver bearbeiten. Eine Dynamik, die den Ausdruck extrem fördert. Man meint tatsächlich, plötzlich besser spielen zu können.

Da hat die blitzeblanke Schwester einen schweren Stand. Dabei ist auch sie eine wunderbare Gitarre! Wäre die rissige Schwester nicht dabei gewesen, hätte ich auch ihr ein Loblied gesungen. Eigentlich müsste ich das auch immer noch tun. Aber die optisch ältere Schwester ist für mich subjektiv so eine derartige Granate, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich zur anderen schreiben soll.

 

 

Ich versuch es trotzdem. Die optisch neue Variante geht z.B. im Bass nicht so weit herunter und ist in den Höhen etwas kompakter und weniger luftig leicht. Alles klingt fester, stabiler und moderner. Sie hat nicht ganz den klanglichen "Bauch" der sensibleren Schwester. Der Charakter ist verblüffend anders. Bei sehr stark verzerrten Sounds ist das von Vorteil, denke ich. Da ist Stabilität hilfreich, die leichte und luftige Klangentfaltung der "älteren" Schwester kommt da leichter ins Schwimmen. Vielleicht ist der Unterschied aber auch einfach nur unter dem Begriff Geschmackssache abzubuchen. Für mich wäre die Wahl ganz klar, für andere vielleicht nicht. Auf jeden Fall sind beide Varianten wunderbare Instrumente, die mit Sicherheit begeisterte Besitzer finden werden.

So, jetzt geh ich noch mal ein bisschen Styx-Spielen, bevor ich die beiden schweren Herzens wieder zurückschicke.

 

Vielen Dank an Thorndal für das Zuschicken der beiden Instrumente. Weitere Infos gibt es bei www.thorndal.de.

 

 

 

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                                                                                                                           © alle Bilder und Text, Dieter Stenzel, 27.05.2014